05.11.2008

Es geht voran

Keine Atempause , Geschichte wird gemacht, es geht voran! Wie hieß die Rockband aus den 80er Jahren nochmal, die dieses Lied sang? Interzone?
Was für ein Abend, gestern Abend! Es war ein großer und lange erwarteter Tag weltweit, aber die Kalifornier hatten in dieser Wahl für weitaus mehr ihre Stimme abzugeben als für den zukünftigen Präsidenten (als wenn das nicht schon genug wäre): Die Kongressmitglieder sollten gewählt werden, in vielen Gemeinden auch Städteparlamente oder Bürgermeister und nicht weniger als 12 Propositions standen auf dem Programm -Gesetzesvorschläge, die in einigen Fällen die Landesverfassung eingehen würden. So sollte man für den Bau eines Hochgeschwindigkeitszuges zwischen San Diego und Sakramento entscheiden, über die Finanzierung von Kinderkrankenhäusern, Subventionen für erneuerbare Energien, darüber ob bei Abtreibungen von Minderjährigen eine Informationspflicht für Arzte festgeschrieben werden soll, den Eltern 48 Stunden vorher Bescheid zu geben. Es sollte für die Abschaffung der neu beschlossenen Ehe Homosexueller gestimmt werden (Prop 8). In San Diego mussten die Bürger entscheiden, ob Alkohol an den Stränden verboten werden soll (Prop. D). Schwerwiegende Entscheidungen also. So waren also sowohl Vorgärten wie auch Wegränder übersäht mit Plakaten und Bannern, die verschiedene Meinungen widergaben. Und man konnte daran auch sehr viel über das Profil der Wähler rückschließen. So waren quasi alle John Mc.Cain Befürworter auch für die Abschaffung der Ehe Homosexueller.
Was die Präsidentschaftswahl angeht, so haben die stimmlosen Bewohner dieser Nation, die Minderjährigen, in den Schulen ihre eigenen Wahlen durchgeführt, aus denen Barack Obama mit herausragenden Mehrheiten hervorging (332:74 an Doyle Elementary). Und glaubt nicht, diese Ergebnisse spiegelten die Wahlintentionen der Eltern wider. Die Kinder nehmen in der Schule sehr intenisv am Wahlkampf teil, sehen die Debatten, lernen die Gesetze und den Wahlablauf. Jerome kann euch alles darüber sagen, was es braucht, um in den USA zu wählen und gewählt werden zu können.
Nun, so waren wir also gestern mehr als gespannt,. Yann war so aufgedreht und das erste was er tat, als wir von der Schule kamen, war den Computer anzuschalten, um sich die ersten Prognosen anzuschauen. In Kalifornien haben wir ja dank der verschiedenen Zeitzonen die Möglichkeit, an den ersten Auszählungen teilzunehmen, während die Wahllokale hier noch geöffnet sind. Eigentlich hatten wir uns auf einen langen Wahlabend mit Zitterpartien bis zur letzten Stimme eingestellt, wie gehabt halt, und so nahmen wir unsere Alltagsbeschäftigungen wie Hausaufgaben, Kochen usw auf. Als Ben nach Hause kam, führte Obama gerade mal mit 107: 74 und es waren so um die 10 Staaten ausgezählt. Als Barack Obama noch ca 70 Stimmen zum Sieg fehlten, war klar, dass die von den Westküstenstaaten kommen mussten, also schien es mir nur logisch, dass die Entscheidung erst spät in der Nacht oder gar am nächsten Morgen fallen würde. Um so überraschter war ich, als nach Yanns Druck auf die "Refresh" Taste plötzlich ein grüner Haken und die Zahl 284 neben Barack Obamas Portrait stand. So schalteten wir den Fernseher an und als erster erschien John McCain auf dem Bildschirm. Während er als fairer Verlierer Obama gratulierte und ihm seine Zusammenarbeit anbot, wurde Barack Obama, wieder einmal von John McCains Wählern ausgebuht. Jeder der den schmerzhaften Schatten über sein Gesicht huschen sahen, konnte sich vorstellen, was der Mann bei seinen Wahlveranstaltungen durchgemacht haben muss. Wieviele Male musste er seine Fans zur Vernunft bringen, weil sie mit ihren ausgesprochenen Ängsten und Anschuldigungen aus den Fugen geraten waren. Man kann sich kaum vorstellen, wieviele erklärte Rassisten es in diesem Land noch gibt. In einer bewegenden Rede stellte dieser Kandidat ein weiteres Mal seine tiefe Liebe für sein Land unter Beweis, dem er mehr als 50 Jahr seines Lebens unter vielen Opfern gedient hatte.
Barack Obama kam erst um 9 Uhr auf die Bühne in Chicago und es war ein bewegendes Bild,
diese junge, schwarze Familie dort stehen zu sehen. Barack Obama müsste mit seiner Rede auch dem letzten Zweifler von seinem Patriotismus und seiner Liebe zu seinem Land überzeugt haben. Es lohnt sich, diese zu lesen! Was für ein großer Augenblick für die Nation!
Ich habe den Eindruck, dass es den Amerikanern in dieser Wahl gar nicht so sehr um die Kandidaten selbst ging, sondern viel mehr um das, wofür sie stehen. John Mc.Cain, der eigentlich selbst in seiner Karriere immer versucht hat, Veränderungen in Washington zu bewirken, repräsentiert leider die falsche Partei. Eine, die für Stagnation steht, für eine Politik, die die Bedürfnisse der Bevölkerung ignorierte, die internationalen Partner verärgerte, die Jungen Leuten keine Perspektive zu vermitteln vermochte und vor allem ihre eigenen Interessen oder die von Gruppen vertrat, der sich kaum mehr jemand zugehörig fühlte. Selbst der sehr angesehene Milliardär Warren Buffet hat sich für Barack Obama ausgesprochen, weil er seien Finanz- und Steuerpolitik fairer fand. Seine Kampagne hat ausschließlich weiße Wähler angesprochen, alle andere fühlten sich ausgeschlossen.
Barack Obama hingegen steht für Wandel, für Offenheit, für Respekt der internationalen Partner, für Dialog statt Konflikt, aber auch, mit seinen 47 Jahren für Jugend. Er repräsentiert einfach durch seine Person allein so viel von Amerika: Halb Schwarz, halb Weiß, als erfolgreicher Student an einer prestigieusen Universtät hatte er Einblick in beide Welten, kennt er die Gefühle der Macht- und Hoffnungslosen genauso wie die der Erfolgreichen, der Hoffnungsträger. Laut einem Analysten im Radio "repräsentiert er die kosmopolitische Nation, die Amerika ist, das Ende einer Ära der alten Welt (the old world is fading away), wo alle im selben Ort aufwachsen, indem sie geboren sind, alle dieselben Filme im Fernsehen sehen..." Damit trägt er dem Amerika Rechnung, das es seit vielen Jahrzehnten gewesen ist. Einem Einwanderungsland, in dem verschiedene Einflüssen und Kräfte geeint sind in ihrem Glauben an die amerikanische Verfassung und ihre Werte von Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit. (das ist der letzte Satz des Treueversprechens , das die Kinder jeden Morgen in den Klassenzimmern leisten (... One Nation under God, indivisible, with Liberty and Justice for all")
Und für diese Einigkeit möchte Barack Obama vor allem kämpfen.
Nicht nur Schwarze haben für Barack Obama gestimmt, sondern auch ein großer Prozentsatz Latinos, die eigentlich mit den schwarzen eher in einem Konkurrenzkampf stehen, ein großer Prozentsatz Weißer, vor allem die junge Generation, die sich von den Republikanern einfach nicht mehr repräsentiert fühlt und selbst die gut gebildeten Weißen mit hohem Einkommen, denen Barack Obama höhere Steuern angedroht hat, haben für ihn gestimmt.
Die USA haben der Welt gezeigt, dass die zu einem Wandel fähig sind. Die Amerikaner waren sich der historischen Komponente dieser Wahl durchaus bewusst. Nach 44 Wahlen wird mit Barack Obama das erste schwarze Gesicht auf dem Poster der amerikanischen Präsidenten abgedruckt sein und das öffnet einem grossen Anteil der Bevölkerung völlig neue Perspektiven und ein neues Bewusstsein für die Zukunft .
PS: Während in Kalifornien zukünftig nur Ehen zwischen einer Frau und einem Mann geschlossen werden dürfen, müssen Hühner unter humanen Bedingungen gehalten werden. Da sieht man doch gleich, wo die Prioritäten stehen. Es geht voran

2 Kommentare:

  1. Liebe Sylvie,

    leider kann ich Euch nicht per Mail zum Verbleib im sonnigen Kalifornien anstelle des Auswanderns nach Kanada per Mail gratulieren, da Dein account völlig überlastet ist :-)
    Viele Grüße aus Hamburg, Sabine und Urban

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  2. Eigentlich war mein Konto nicht uberbelastet, ich wuenschte, es waere so. Keine Ahnung, wie es zu dieser Fehlermeldung kam. Schoen, dass du meinen Blog liest, bitte mache weiter und kommentiere fleissig, dann weiss ich dass sichd ie Muehe lohnen

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